Der
isländische Hund in der Historie
("Geschichte
und Beschreibung der Rassen des Hundes" von
Ludwig Beckmann, 1895)
Die
Bezeichnung "Isländer" ist in früherer Zeit oft
auf die verschiedensten rauhhaarigen Hunderassen angewendet
worden, welche auf Island niemals existiert haben. So nannte
man z.B. im nördlichen Deutschland die dort seltenen
rauhhaarigen Vorstehhunde wohl Isländer. In der älteren
kynologischen Literatur Englands finden wir schon zu Dr.
Cajus' Zeit (1570) den "isländischen Hund" als
einen kleinen, äußerst langzottig behaarten Luxushund
geschildert, welcher durch seine Bissigkeit auffällt.
Harrison (1585) sagt in seiner Abhandlung, betreffend die
große Zahl der Luxushunde in England, unter Anderem:
"Außerdem haben wir noch Köter (sholts or curres),
welche täglich aus Island ankommen und von denen bei und
viel Wesens gemacht wird wegen ihrer Frechheit und Zänkerei.
Außerdem beißen sie sehr scharf und haben eine Vorliebe für
Talgkerzen, wie die Männer und Weiber ihres Landes".
Unter den Geschenken der East Indian Company, welche für
indische Fürsten im Jahr 1615 bestimmt und gewünscht
waren, finden sich auch "Islanddoggs". Selbst
Shakespeare gebraucht den Ausdruck "Islanddogge"
und "Spitzartiger Köter von Island" mehrfach als
Scheltwort. Bei näherer Untersuchung finden wir, daß hier
augenscheinlich eine Verwechslung des englischen Wortes
"Island" (Insel) mit dem dänischen
"Island" (engl. Iceland) vorliegt und daß die
"äußersten Inseln im Norden", von denen die
altenglischen Schriftsteller irrtümlich reden, nichts
Anderes sind als die Hebriden und die Insel Skye an der
West- und Nordküste Schottlands. Die betreffenden zottigen
und bissigen Hündchen sind jedenfalls als Zwergformen (Toys)
der heutigen schottischen und Skyeterrier zu betrachten.
Unter den deutschen Kynologen beschreibt Dr. Walther (1817)
den eigentlichen isländischen Hund ganz richtig als eine
Form des Spitzes, unterscheidet aber drei verschiedene
"Zuchten" desselben (Lubbar, Dyr-Hundar und
Dwerg-Hundar), ohne eine Beschreibung oder Quelle dieser
Unterschiede anzuführen. Fitzinger wiederholt dies und fügt
zum Überfluß noch eine vierte (!) Form hinzu, welche als
"großer isländischer Hund" oder "Fiaarhund"
bezeichnet wird.
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Diese
Angabe stützt sich augenscheinlich nur auf den
durch Buffon beschriebenen und abgebildeten
Isländer Spitz, welchen der damalige Statthalter
auf Island, Graf Rantzau, an einen Mr. de Maupertius
in Paris schickte. Die Buffon'sche Abbildung zeigt
einen spitzartigen, schwarz- und weißgefleckten
Hund mit halb überhängenden Spitzohren,
fuchsähnlicher Ruthe und mittellangem Stockhaar.
Jedenfalls handelt es sich in allen Fällen wohl nur
um Zufallsproducte, nicht um einen gleichmäßig
ausgebildeten Landschlag. Von streng gezüchteten
Rassen kann bei diesen Hunden überhaupt nicht die
Rede sein.
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Die
jetzigen Isländer Hunde ähneln im Allgemeinen
einem kleinen, bastardirten deutschen Spitz; der
Kopf ist fuchsähnlicher, die Läufe sind dünner,
verhältnißmäßig höher und fast ohne Feder; die
Halskrause und die Behaarung der Ruthe sind weit
weniger entwickelt und letztere ist nicht so stark
gerollt; das Haar überhaupt kürzer; trotz alledem
haben diese Hunde viel Eigenthümliches.
Die
nachstehenden Rassezeichen sind nach einem im Zoologischen
Garten zu Kopenhagen befindlichen Isländer Hunde
aufgestellt und da dieselben mit einigen geringen Abänderungen
später vom dänischen Jagdverein anerkannt wurden, so dürften
dieselben wohl die typische Form der jetzigen Isländer
Spitze am richtigsten schildern.
Rassezeichen
des Isländer Hundes
(nach
dem Standard der dänischen Jagdgesellschaft 1889)
"Kopf:
Verhältnißmäßig groß, mit breitem, hochgewölbtem
Obertheil; Schnauze ziemlich kurz und spitz; Lefzen kurz und
dicht anliegend; Kopf und Hals hoch getragen; Ohren groß,
unten breit, spitz, dreieckig, aufwärts stehend; Augen
klein, rund, von dunkler Farbe.
Hals:
Leicht gebogen; Rücken verhältnißmäßig kurz, Brust
breit und tief gesenkt, Hinterleib aufgezogen, Läufe dünn,
gut gestellt und hinten gut gebogen, die Pfoten lang mit
schmalen, krummen Klauen.
Ruthe:
Buschig und über den Rücken gekrümmt.
Das
Haar ist mittellang, am längsten am Halse, unter dem Bauche
und an der Unterseite der Ruthe. Es liegt am Körper dicht
an, an der Schnauze und den Läufen ist es kurz und die
Vorderläufe tragen keine Feder. Die Farbe ist meistens bräunlich
oder graulich, auch schmutzigweiß oder gelblich. Eine sehr
gewöhnliche Färbung ist schwarzer Oberkörper mit weißer
Unterseite und eben solchen Läufen. Ebenso ist die
Unterseite und Spitze der Ruthe, wie auch ein breiter
Halskragen bei dieser Färbung meistens weiß. Die Höhe
dieser Hunde beträgt nur 30 bis 40 cm."
In
ihrer Heimath werden diese kleinen Hunde in übergroßer
Zahl gehalten, wiewohl ihre Verwendung eigentlich nur eine
sehr beschränkte ist. Als Zugthiere können sie nicht
verwendet werden und die vollkommene Sicherheit des persönlichen
Eigenthums macht auf der Insel auch die Benutzung eines
Wachthundes überflüssig. Die Hunde treiben sich daher frei
umher und sind gegen fremde Menschen weder mißtrauisch noch
feindselig gestimmt. Auch als Schäferhunde dienen sie
eigentlich nicht, da sämmtliche Schafe, mit Ausnahme
einiger am Hofe gehaltener Milchschafe, im Sommer in den
Bergen aufsichtslos umherstreifen. Die Thätigkeit der Hunde
beginnt erst im Spätjahre, wenn die Schafe auf den oft
schwer zugänglichen Höhen aufgesucht und von dort
heruntergeholt werden müssen; ebenso im Frühjahre, wenn
sie wieder hinaufgetrieben werden. Dagegen sind die Hunde
oft unentbehrlich beim Transport der zahlreichen Heerden
kleiner Pferde, welche auf Island massenhaft gezüchtet und
von den geeigneten Hafenplätzen meistens nach England
geschafft werden, wo sie vielfach in den Kohlenbergwerken
Verwendung finden. Wiewohl die Arbeitsleistung der Hunde auf
Island somit sehr beschränkt erscheinen, so sind dieselben
doch zu gewissen Jahreszeiten den Einwohnern durch nichts zu
ersetzen. Hierdurch erklärt sich die Thatsache, daß nach
einer großen Sterblichkeit der Hunde im Jahre 1855 bis 1856
auf dem Nordlande der Insel willig eine Kuh oder ein Paar
Schafe als Tauschobject für einen Hund gegeben wurden. Nach
Dr. Krabbe soll die Zahl der im Allgemeinen in Island
gehaltenen Hunde eine unverhältnißmäßig große sein, so
daß auf fünf Menschen durchschnittlich drei Hunde
gerechnet werden könnten. Auf den Faröer-Inseln wird
dagegen zum Schutze der dort massenhaft brütenden Seevögel
das Halten eines Hundes schon seit dem 17. Jahrhundert
durchaus von der Zustimmung des "Hardesvogtes" abhängig
gemacht, und auf einer Insel in der Flatöbucht, wo nur
wenig Hunde gehalten werden können, müssen diese während
der Brutzeit und Mauser der werthvollen Eiderenten auf das
feste Land übergesetzt werden.
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